Die Platte lebt e.V.

März 2016

Völkerverständigung am Kochtopf

Im Eiskristall am Berliner Platz bereiten Deutsche und Migranten Leckeres aus ihrer Heimat zu – und kommen vielsprachig in Gespräch
 
Wenn Saleh Hamid eine große Portion Hackfleisch würzt und knetet, dann ist das mehr als bloßes Kochen – das sieht aus wie Kunst, erfordert Hingabe und braucht seine Zeit. Die eilige deutsche Hausfrau würde vor Ungeduld vielleicht platzen. Aber der Appetit kommt beim Zuschauen garantiert. Jedes neue Gewürz – Zwiebeln, klein gehakte Tomaten, Petersilie und Granatapfelessig – wird zelebriert. Derweil schnippeln gut gelaunte Männer und Frauen aus der Dominikanischen Republik, aus Syrien, der Ukraine und aus Deutschland einen grünen Salat, bereiten Apfelkuchen vor, plaudern in ihren verschiedenen Sprachen, lachen, probieren – verstehen sich mit und ohne Worte.
 
Dieses gemeinsame Kochen im Stadtteiltreff „Eiskristall“ dauert mehrere Stunden. Wenn gegessen wird, dann erzählen die Neu- und Alt-Schweriner über das, was sie gerade beschäftigt. Saleh Hamid zum Beispiel will sich selbstständig machen in Sachen Handy-Reparatur. Osama Shaars Ehefrau durfte aus Syrien nach Schwerin ziehen – sieben Monate hat er sehnlichst darauf gewartet, wusste bis zum letzten Moment nicht, ob der Antrag genehmigt wird. Die Freude ist riesig bei dem jungen Mann. In Damaskus habe er Buchhaltung studiert und bei einem Geldinstitut gearbeitet, erzählt er. Seine Betreuerin in Schwerin sieht Shaars Zukunft hingegen eher im Handwerk: Sein Vater war Tischler, der Sohn hat oft in der Werkstatt geholfen und sei handwerklich sehr geschickt, sagt Nicole Ben Ali.
 
Alle Teilnehmer in der Küche sind schon mindestens ein Jahr in Deutschland, haben ihren Integrationskurs hinter sich. Das Kochen ist ein weiteres Integrationsprojekt, das das Bilse-Institut und der Verein „Die Platte lebt“ zusammen auf die Beine gestellt haben. Die meisten der Köche gehören auch zum Projekt „Langzeitarbeitslosigkeit im Quartier senken“, das Nicole Ben Ali vom Bilse-Institut leitet. Die Schwerinerin spricht ein wenig Arabisch, was ihr zusätzlichen Respekt verschafft. Zweimal die Woche lädt sie die Ausländer zum Kommunikationstraining, vor allem, um deren deutschen Wortschatz zu erweitern. An den übrigen Tagen arbeiten sie in ihren „Einsatzstellen“, wie dem Bauspielplatz, dem Tafelgarten oder bei den Vereinen Makabi oder Kuljugin.
 
Nur einmal im Monat werden internationale Leckereien zubereitet im Stadtteiltreff am Berliner Platz. Manchmal kommt sogar Prominenz vorbei, wie unlängst Sozialministerin Birgit Hesse, um sich Integrationsarbeit in Schwerin anzuschauen.
 
Im Eiskristall indes wird es langsam eng. Seitdem so viele Flüchtlinge in die Stadt gekommen sind, gibt es hier verschiedene, gut besuchte Deutschkurse und jeden Montag ein Welcome-Cafe, berichtet Hanne Luhdo vom Verein „Die Platte lebt“, der das Eiskristall betreibt. „Das sind ganz neue Dimensionen“, sagt sie und schwärmt vom ehrenamtlichen Engagement der Schweriner. Fast alle Tage sind ausgebucht.
 
Bild: Salat, Apfelkuchen und Köfte stehen heute auf dem Speiseplan. Viel wichtiger als die Zubereitung ist beim Kochprojekt von Platten-Verein und Bilse-Institut aber das Reden. Foto: Klawitter
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